Das Ziel ist der Weg
Den Heimweg von der Yoga-Stunde werde ich heute für eine kleine Achtsamkeitsübung nutzen. Ich werde Schritt um Schritt setzen und spüren, vor allem spüren. Den Moment, in dem der linke Fuß auf dem Boden aufsetzt, die Berührung spüren, nachfühlen, wie der scheinbar feste Untergrund eine Schwingung in Gang setzt. Ausgehend von der Ferse, sanft nach oben über die Wade in einer Welle sich ausbreitend, im Oberschenkel leise ausschwingend. Währenddessen rollt der Fuß nach vorne und ich spüre, wie der Fußballen noch das gesamte Gewicht des Körpers der Erde schenkt, bevor er sich darauf vorbereitet sich von ihr zu lösen. Nachspüren, wie sich wohlige Schwingungen den Fußrücken hinauf ausbreiten, um in der Wade meines linken Beins ein neues Gleichgewicht von An- und Entspannung zu erzeugen. Und während die Zehen des Linken Fußes sich von der Erde verabschieden, übernimmt die Ferse des rechten den Kontakt und das Spiel von Schwere, Leichtigkeit und sanfter Schwingung in meinem Körper beginnt erneut. Noch während ich beginne, mich dem gleichzeitigen Fluss des Atems hinzugeben, richtet sich meine Aufmerksamkeit auf eine Erschütterung in meinem rechten Arm und einen Schmerz auf Kniehöhe. Mein linker Fuß ist früher als gedacht wieder damit beschäftigt, mein Körpergewicht ganz alleine zu tragen und nur durch die Hilfe meines linken Oberarmes, der ohne es zu wollen, eine Stütze im Gesicht einer vorbeihuschenden Frau findet, kommt mein Körper wieder halbwegs in einen Zustand von Balance, den er gerade jetzt so nötig hat. Ein heftiger Schmerz in meinem Rücken, knapp oberhalb des Steißbeins treibt mich wieder nach vorne. Ich versuche, mit meiner Aufmerksamkeit bei dem zu bleiben, was in meinem Körper vor sich geht. Doch längst haben sich meine Augen und Ohren geöffnet und senden eine nicht mehr zu bewältigende Flut an Informationen an mein Gehirn. Ich versuche den ankommenden Fetzen von Eindrücken zu folgen. Ein seltsam krachendes Rollen, das ich hinter mir höre, verführt mich dazu meine Augen in diese Richtung zu lenken und ich merke wie die Bilder in meinem Kopf in eine Information umgewandelt werden – eine mittelalte Frau nähert sich auf einem roten Bobbycar! Längst gelingt es mir nicht mehr, meinem Atem und meinen Bewegungen mit der nötigen Aufmerksamkeit zu folgen und ich bemerke, wie sich allmählich ein Gedanke in meinem Hirn formt: Nie mehr wieder gehe ich nach der Yogastunde durch die Fußgängerzone nach Hause! |
© 2014 - 2019 Arno Jauernig, München
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