Heimatfilm
(wie es wäre, würde es hier passieren) ... Dann also Schwabing. Wir haben in einem Keller in der Occamstraße Unterschlupf gefunden. Für eine Nacht, vielleicht auch für die ganze Woche. Auf dem Marsch hierher von Haidhausen aus haben wir vorgestern Karl verloren, unseren Jüngsten. Die Splitterbomben der Regierungstruppen haben seinen kleinen Körper zerfetzt. Wenn wir noch Kraft hätten zu weinen, ein Meer von Tränen würde diese verdammte Stadt überschwemmen. Der Angriff der christlichen Milizen hatte letzte Woche begonnen. Nach der Sprengung des Doms begannen die Prozesse in den von ihnen beherrschten Stadtteilen. Die Verbrennung abtrünniger und ungläubiger Frauen begann noch in derselben Nacht. Ich musste Maria und die Kinder in Sicherheit bringen. Nun also Schwabing. Das Heulen der Sirenen weckte die Kinder und es verging kaum eine Minute bis die Bomben des Seehofer-Regimes die Straßen vor unserem Unterschlupf aufrissen. Weg. Wir müssen weg. Ich kann doch die Kinder nicht in dieser Hölle sterben lassen... ... Nun sind wir also hier. Das gelobte Land! Der wochenlange Marsch über die Alpen hat vielen von uns das Leben gekostet. Ich bete jeden Tag, dass ich irgendwann in diesem Leben Maria wiederfinde. Die Halle, in der wir die Tage und Nächte verbringen ist kalt und voll mit Menschen aus meiner Heimat und anderen, deren Sprache ich nicht verstehe. Das alte Smartphone, das uns den Weg über die Alpen gewiesen hatte ist die letzte Verbindung zu den Liebsten, die noch in München ausharren. Ich weiß nicht, wieviel Papiere wir schon ausgefüllt haben und wozu die gut sind. Aber die Menschen, die uns damit versorgen sind meistens freundlich. Nach dem Klirren der Fensterscheiben breitet sich das Feuer in der Halle rasend schnell aus... Das Letze, was ich höre ist ein vielstimmiges „Ausländer raus“ ... |
© 2014 - 2019 Arno Jauernig, München
|