Der Hausmeister
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18. Februar 1943 Jakob Schmid ist mein Name. Schlosser, Pedell und Hörsaaldiener an der Universität in München. Seit 1933 tu ich meine vaterländische Pflicht in der SA und seit 1937 bin ich stolzes Mitglied in der Partei meines geliebten Führers. In der Universität ist es meine Pflicht, für Ordnung und Disziplin zu sorgen, damit junge Menschen auf ihre Aufgaben für das Vaterland vorbereitet werden können. Leider haben in letzter Zeit immer wieder volksfeindliche Kräfte die Ruhe gestört. Heute, am 18. Februar ist es mir endlich gelungen zwei auf frischer Tat zu ertappen und beim Verlassen des Gebäudes festzuhalten und sie dem Kanzleisekretär Scheithammer zu übergeben. Später werden sie der Gestapo übergeben und ich bete inständig darum, dass das verruchte Gesindel das nicht überleben wird. 22. Februar 1943 Heute Abend hab ich als einer der ersten die Nachricht erhalten, dass die Vaterlandsverräter heute von Freisler verurteilt und am Nachmittag mit dem Fallbeil in Stadelheim hingerichtet worden sind. Das ist ja jetzt wirklich mal schnell gegangen. Ich hoffe, die Führung ist genauso schnell, mir die versprochene Belohnung von 3000 Reichsmark auszuzahlen. Mitte 1943 Jetzt bin ich endlich kein simpler Arbeiter mehr, sondern zum Angestellten befördert. Ich hoffe, das Studentengesindel hat jetzt endlich mehr Respekt. 1951 5 Jahre Arbeitslager waren das jetzt. Nur weil ich meine Pflicht erfüllt habe. Wenigstens meinen Rentenanspruch habe ich wieder. Und es gibt genug Leute, die das würdigen, was ich fürs Vaterland geleistet hab. Und es wird die Zeit kommen, da werden es auch wieder mehr werden. 2018 Es scheint soweit zu sein… In diesen Tagen gibt es zum 75ten Jahrestag der Ermordung von Sophie und Hans Scholl und Christoph Probst eine Reihe von Gedenkveranstaltungen 22. Februar 1943
10:00 Uhr Prozessbeginn Mit dem Nachtzug ist aus Berlin Roland Freisler angereist. Der Präsident des Volksgerichtshofs sollte mit seinen jähzornigen Wutausbrüchen dem Prozess die dem Reich angemessene Bedeutung geben und auf bekannte Weise die Angeklagten einschüchtern und erniedrigen. Doch diese bleiben, von ihren Idealen erfüllt, in ihren Antworten ruhig, gefasst, klar und tapfer, wie sich der Gerichtsreferendar Leo Samberger erinnerte. Der Gerichtssaal ist mit uniformierten Nationalsozialisten gefüllt, die Eltern Scholl werden des Saales verwiesen. In seinem Plädoyer erklärt der Pflichtverteidiger, wie sehr er sich für die Angeklagten schäme. In den Verhören durch die Gestapo in den Tagen zuvor war Sophie Scholl angeboten worden, sie zu verschonen, wenn sie sich zur Mitläuferin erklärte und weitere Beteiligte nenne. Sie hatte abgelehnt, sich und ihren Bruder zu Alleinverantwortlichen erklärt und darum gebeten, keine geringere Strafe als ihr Bruder zu erhalten. 12:45 Uhr Das Urteil Die Angeklagten werden mit dem Tode und dem Verlust der Bürgerehre bestraft und müssen die Kosten des Verfahrens tragen. Das letzte Wort im Gerichtssaal hat beim Hinausführen Hans Scholl: "Heute hängt Ihr uns und morgen werdet Ihr es sein." Nachmittag Karl Alt, Pfarrer an der Lutherkirche in Giesing und damit auch Gefängnisseelsorger in Stadelheim begeht mit den gläubigen Geschwistern das letzte Abendmahl und liest auf Wunsch das Hohelied der Liebe (1. Korinther 13). Ein letzter Bibelvers vor der Hinrichtung: "Niemand hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde." (Johannesevangelium) Gegen 16:00 Uhr besuchen die Eltern Scholl ihre Kinder ohne zu ahnen, dass es in einer Stunde vorbei sein wird. Ihr Gnadengesuch war abgelehnt worden. Der Vater nimmt Hans Scholl ein letztes Mal in den Arm: "Ihr werdet in die Geschichte eingehen." Kurz vor 17:00 Uhr werden die drei für eine letzte Zigarette zusammengeführt. "In wenigen Minuten sehen wir uns in der Ewigkeit wieder" verabschiedet sich Christoph Probst. 17:00 Uhr Die Hinrichtung Der Leiter der Vollstreckungsabteilung am Münchner Landgericht, Walter Roemer, hat alle Vorbereitungen für die Realisierung des volksrichterlichen Todesurteils getroffen. Nach dem Krieg sollte er bis 1950 im Bayrischen Justizministerium und danach als Ministerialdirektor im Bundesjustizministerium beschäftigt sein. Die Bundesregierung wird 1987, zwei Jahre nach seinem Tod feststellen, dass er keine Möglichkeit gehabt hatte, die Vollstreckung solcher Urteile zu verhindern. Johann Reichart ist der staatlich bestellte Scharfrichter. Von 1924 bis 1945 hat er 2951 Todesurteile mit der Guillotine und 59 mit dem Galgen vollstreckt. Seit 1934 in Festanstellung mit einem Jahressgehalt von 3.720 Reichsmark. Zeitlebens hatte er daran gearbeitet, den Hinrichtungsablauf zu beschleunigen und für die Delinquenten weniger belastend zu machen. Er brachte es so auf eine Hinrichtungszeit von drei bis vier Sekunden. An diesem Tag sollten es sechs sein. Nach dem Krieg sollte er von der amerikanischen Regierung weiterbeschäftigt werden und hat in Landsberg am Lech 156 zum Tode verurteilte Nationalsozialisten und Kriegsverbrecher gehenkt. 1946 wird er seine Tätigkeit beenden, nachdem er erfährt, dass er durch eine Verwechslung zwei Unschuldige hingerichtet hat. An diesem Tag wird um 17:00 Uhr als erste Sophie Scholl zum mit schwarzem Stoff verkleideten Fallbeil geführt. Johann Reichart wird später sagen, dass er noch nie jemand so tapfer hat sterben sehen. Hans Scholl, den Kopf schon in der Guillotine ruft seine letzten Worte aus: "Es lebe die Freiheit!" Das war heute vor 75 Jahren. Vor einem Jahr hat ein Kreisverband der AfD mit einem Wahlplakat geworben auf dem zu lesen war: "Sophie Scholl würde AfD wählen". Das Landgericht Berlin hat das Plakat verboten - aus Urheberrechtsgründen. |
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