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Einmal noch
 
Einmal noch die Welt.
Einmal noch die Welt 
mit Kinderaugen sehen,
mit Kinderohren hören,
mit Kindernasen riechen,
mit Kinderzungen schmecken,
mit Kinderhänden begreifen.
 
Einmal noch den Wald.
Einmal noch den Wald
erfahren, wie zu der Zeit,
als es noch kein Wort gab
für den Baum.
Als der Baum ein großer Freund war
und ein Teil von mir.
 
Einmal noch das Licht.
Einmal noch das Licht
funkelnd und glänzend
das Gras auf der Lichtung
verzaubern sehen
und durch meinen Körper tanzend
meine kleine Seele leuchten lassend.
 
Einmal noch das Lied.
Einmal noch das Lied
des Waldes hören.
Nicht wissen, wo die Melodien herkommen,
wo sie hingehen.
Spüren, wie der Gesang der Singdrossel 
zwischen meinen Ohren flirrt.
 
Einmal noch den Duft.
Einmal noch den Duft
von weichem Moos
und herbstlich-feuchtem Laub
in meiner Nase
sich in einen Traum verwandeln lassen.
 
Einmal noch die Pfütze.
Einmal noch die Pfütze
erkunden, die nach dem großen Regen
Heimat ist für das Leben.
Für ein Gewusel kleiner Tierchen,
für die mir das Leben später
den Namen Kaulquappen geben wird.
 
Einmal noch staunen.
Einmal noch wundern.
Einmal noch Teil des Wunders sein.
Einmal noch Eins sein.
 
Einmal wieder wissen,
dass in jenem Wald,
in dieser Welt,
noch immer dieses Kind lebt,
das eins sein darf mit dieser Welt
weil es keine Worte für die Wunder hat.
 
Und wenn Du kommst,
werde ich Dir keinen Namen geben.
Dich nicht benennen,
nur nehmen wie Du bist.



Dieser Tag
 
Der Tag, an dem ich mein Leben beende
wird ein Sonnentag sein.
Das Licht wird sich in tausenden Tautropfen brechen
und ich werde mit ihnen funkeln wie ein Diamant.
Vögel, die schon lange ausgestorben sind,
werden die Musik von Jahrmillionen um meine Ohren schmiegen.
Alle meine Lieben werden in bunten Gewändern kommen
um ein rauschendes Fest zu feiern.
Schöne Frauen werden sehnsuchtsvoll mit strahlenden Augen
meiner fliehenden Seele nachträumen.
Und durch das fröhliche Gewirr von Melodien und Beats
wird sich eine sanfte Stimme meine Aufmerksamkeit erschleichen:
deswegen hättest Du jetzt aber nicht extra sterben müssen!


​
Denkzettel

Ich werfe manchmal Perlen vor die Säue,
das tu ich, ohne dass ich es bereue.
Auch schütte ich das Kind oft mit dem Bade aus,
anders krieg ich es sonst nicht aus der Wanne raus.
Es stört mich auch nicht, meilenweit zu laufen,
nur um eine Katze im Sack zu kaufen.
Nur in den Wald hineinzurufen und dann aus der Ferne
das Echo zu hören – das hab ich nicht so gerne.


Als Hänschen hab ich nichts gelernt, doch jetzt als Hans
ruf ich Euch zu: schaut her! Ich kann’s!
Man sagte: krümm Dich! Doch ich schmollte,
weil ich kein Häkchen werden wollte.
Früh geübt hab ich trotz allem,
nur um am Ende als Meister vom Himmel zu fallen.
Und bindet mir jemand einen Bären auf,
nutz ich die Gelegenheit zum Fellverkauf.


Ich hab oft am besten, aber nie zuletzt gelacht
Und einmal hab ich im Sommer die Schwalbe gemacht.
Die Schwalbe jagte die Mücken im Wind,
bevor die zu Elefanten geworden sind.
Jetzt kommt wer, der sagt mir, Schweigen sei Gold
und alles was ist sei von oben gewollt.
Doch wollt Ihr Gold sehn, Ihr werdet lachen,
muss ich beizeiten das Maul aufmachen.



Neu geboren
(für Olivia)

Nun bist Du da.
Ersehnt. Erwartet.
Geliebt, lange bevor wir uns
ein Bild von Dir gemacht haben.
Und Du bist.
Ein Leben. Ein Mensch.
Vollkommen, lange bevor wir
begonnen haben, Dich zu erziehen.
Und Du gibst.
Dein Sein. Dein Dasein.
Liebe, lange bevor Du wissen kannst,
wie das geht.
Du bist das Glück.


Die Hoffnung (1)

Zufrieden liegt die Hoffnung nun
auf ihrem Sterbebett und jetzt
gibt es für sie nichts mehr zu tun,
denn schließlich stirbt sie ja zuletzt.

…
Doch plötzlich kommt die Zuversicht:
„Bin auch noch da – und sterbe nicht!“




Selbstfindung

Jahrzehntelang hab ich mich selbst gesucht,
hab immer wieder mal ein Teilchen aufgespürt.
Hab manchmal das Versteck verflucht,
in das mich meine Suche führt.
Ich ging nach innen und war außer mir
und glaubte manchmal gar nicht was ich sah.
Verlorene Zeit! Heut steh ich hier
und weiß, ich war schon immer da.

​
Die Farbe

Die Farbe, die Deine Augen heute atmen,
habe ich nur für Dich gemacht.
Sie hat noch keinen Namen
und ich habe sie an Deinem Himmel für Dich angebracht.

Ich habe sie in meinem Herzen angerührt
aus Frieden, Glück und Liebe
atme tief durch, doch rechne nicht damit,
dass sie allein bei Dir nur bliebe.

Schau Deinem Nächsten
tief in seine Augen
und gib ihm die Gelegenheit,
die Farbe aufzusaugen.

Atmet die Farbe ein und aus
doch lasst sie ohne Namen.
Erschafft Euch neue namenlose Farben,
denn diese sind der Samen
für Liebe, Frieden, Menschlichkeit.
Schaut Euch nur an, nehmt Euch die Zeit.

​
Freudlos

Nach langen Jahren Analyse,
unendlich vielen Tagen auf der Liege,
ist aktiviert die Zirbeldrüse
und endlich macht sie heut die Fliege.
Vorbei die Therapeuten-Fragen,
sie ist mit ihrem Glück allein.
Und das Schönste an den nächsten Tagen,
sie werden alle Freud-los sein.



Grenzen

Atmen.
Verbinden.
Laden ein.
Nehmen Dich auf.
Zeigen Dir, wer ich bin.

Lassen sich niemals schließen.



Honigherz
(für Antonio Machado)

Ein Honigtopf
mein Herz.
Die Bienen
haben
ganze Arbeit geleistet.
Keine Fehler mehr
keine Irrtümer
nur Honig in meinem Herzen.
Und dann ist da dieses Summen ...
Wortlos
 
Ich wünschte, dass ein jedes Wort
Ein Licht sei, das die Dunkelheit erhellt.
Das dann, egal an welchem Ort
Freimacht von dem, was uns den Weg zum Leben oft verstellt.
 
Auch wäre ich gern still für eine Zeit
Und ließe Dunkelheit durch meine Adern fließen.
Ich würde schweigen und ich wär sogar bereit
Einfach mein Dasein zu genießen.
 
Und irgendwann käm‘ dann das Licht
Ganz ohne Worte in mein Leben.
Und Hell und Dunkel bräucht‘ ich nicht
Mal einen Namen geben.

​
Hoffnung (2)
(Die Hoffnung stirbt vielleicht zuletzt – aber sie stirbt)

Noch vor der Hoffnung ist, obwohl von aller Welt umworben,
der Träger eben jener jüngst verstorben.
Was wiederum Hoffnung weckte bei den Erben,
dass es ihr gelinge, doch zuletzt zu sterben.

Es kam der Tag, da war’s soweit,
die Hoffnung war zum letzten Gang bereit.
Sie fühlte sich alleine weit und breit
und so verblich sie, grad zur rechten Zeit.

Lautes Gelächter hörte man jedoch:
da war noch was, das lebte noch.
Leute, glaubt das mit der Hoffnung nicht,
weil es lebt ja noch die Zuversicht!



Einst
 
Heute ist der Tag,
den wir gestern
morgen genannt haben.
Und schon morgen
wird heute gestern sein
und gestern vorgestern.
Und bald kommt der Tag,
an dem aus all den Gestern
ein Damals wird,
bevor es sich zum Früher verklärt.
Dem Früher, als alles besser war
als damals.
Heute ist der Tag
an dem einst
alles besser gewesen sein wird.


​
Eigentümlich

Du hängst so sehr an Deinem Eigentum,
weshalb man Dich auch eigentümlich nennt.
Auch tust Du alles für ein bisschen Ruhm,
dafür, dass alle Welt Dich kennt.

Doch irgendwann bist Du trotz alledem vergessen
und eine Sage macht die Runde:
der Kerl, der auf sein Ansehen so versessen,
liegt jetzt in einem Grab für bunte Hunde.




un
​
wirsch
werde ich
deiner flätigkeit begegnen.
ich bin ja schließlich
kein mensch.

(manches wort, damit es richtig klingt,
manchmal doch ein un bedingt.)



Türen

Es ist gewiss nicht so,
dass hinter jeder Tür
neue Räume auf Dich warten.
Vielmehr - und da bin ich wirklich froh -
spricht viel dafür,
dass eine Dich ins Freie führt, den Garten.



Leben und leben lassen

Es gibt welche,
die leben.
Und es gibt welche,
die lassen leben.
Dafür müssen manche
ihr Leben lassen.


Dazwischen

Ich bin der Dazwischen.
Vor mir meine Eltern
und die Eltern meiner Eltern
nach mir meine Kinder
und die Kinder meiner Kinder.
Und ich dazwischen.

Ich bin der Dazwischen.
Vor mir das Morgen,
hinter mir das Gestern.
Ich bin der Heute.

Ich bin der Dazwischen.
Das, was Du siehst,
wenn Du die Zeilen weglässt.

Ich bin der Dazwischen.
Um mich herum
lauter Stühle.


(Ohne das Dazwischen
gäbe es
keine Eltern,
keine Kinder,
kein Morgen,
kein Gestern,
keine Zeilen
und keine Stühle.)



So groß!

Die Welt ist unermesslich groß.
Und mein Lebensraum so klein.
Selbst das, was um mich herum passiert
kann ich nur gelegentlich erfassen.
Manchmal bräuchte ich die Hilfe
dieser großen, großen Welt
um zu verstehen:
Ein Kinderlachen in den Favelas von Rio
könnte mir jetzt helfen.
Oder der mongolische Jäger,
der angestrengt und routiniert das Yak ausweidet.
Vielleicht das verschmitzte Grinsen
des nigerianischen Schrotthändlers.
Oder der stumme Schrei um Gnade
eines jungen Mannes im Bombenhagel von Aleppo.
Doch macht es mir Angst,
wenn das Fremde an der Tür zu meiner kleinen Welt läutet.
Denn meine Welt würde eine andere sein,
obwohl die große immer noch die gleiche bliebe.
Und manchmal wünsche ich mir,
eingeladen zu sein von dieser Welt,
auch wenn ich mich nicht traue,
die Tür zu öffnen.
So groß erscheint das Leben,
obwohl es doch nur aus lauter kleinen Leben besteht.
Was weiß ich nicht alles von der Welt!
Doch was weiß die Welt von mir?
Ich werde mich bemerkbar machen,
die Tür öffnen
und der fremden Nachbarin die Eier geben,
um die sie mich bittet.

​
Ins Meer

Auch
wenn es mit den Dingen
den Bach runter geht,
heißt das nicht,
dass am Ende
alles im Fluss ist.

Wenn
die Dinge schon
im Fluss sind,
können sie nicht mehr
den Bach runtergehen.

Dem
Ozean ist es egal,
ob die Dinge
im Fluss
oder im Bach waren.

​

Halbe Sachen

Ein Gedanke, nur halb gedacht.
Eine halbe Sache, ganz gemacht.
Ein hohes Ziel, nur halb erstrebt.
Ein halbes Leben, ganz gelebt.
Die halbe Miete ist schon drin.
Und ich bin ganz, so wie ich bin.
Und ich bin ganz, sowie ich bin.
Und ich bin ganz so, wie ich bin.
​

Würde

Ach hätt ich doch, ach hätt ich doch,
damals, als ich konnte noch.
Ich würde ja, ich würde ja;
doch morgen bin ich nicht mehr da.

Dann werden Hätte und auch Würde
zu einer lächerlichen Bürde.
​

Heimat

Da wo alle die gleiche Sprache sprechen
aber ein jeder was anderes sagt.
Da wo selbst wenn alle das gleiche sagen,
ein jeder was anders meint.
Und selbst wenn alle das gleiche meinen,
hört sich’s bei jedem anders an.

​
Das Blatt
 
Ich weiß nicht
wie es werden wird.
Werde ich das Blatt sein,
das obwohl noch grün
mit einem letzten Rest von Lebenssaft,
doch jäh von einem Herbststurm
seinem Baum entrissen wird?
Oder eines, das in einem Farbenrausch
ein ganzes Leben gelb und rot erzählt,
um sich in stiller Stunde
sanft von seinem Zweig zu lösen
für einen letzten Flug zur Erde
mit der es eins wird für den Rest der Zeit.

​
Die toten Seelen
 
Wenn mich die toten Seelen rufen
in eine Welt, die nur aus Nichts besteht,
wenn es nun Zeit ist, mich aus dieser Zeit zu lösen
und alles was mir wichtig war, sich selbst zu überlassen,
wenn es nun sein soll
werde ich mich nicht mehr wehren
die letzten Gedanken formen Flügel
und tragen mich in die ewige Sonne.
© 2014 - 2019 Arno Jauernig, München
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