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Die andere Seite der Stadt

Es gibt sie – diese geheimen Orte in der Stadt, an denen die Sommerglut heruntergekühlt wird auf eine Temperatur, von der behauptet wird, sie wäre ideal für die Menschen, die hier denken, reden, arbeiten, die Welt lenken sollen. Es hat wohl noch niemand untersucht, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Kühle dieser Orte und den Ergebnissen des Denkens und Handelns. Aber manch einer, der in den Genuss dieser Ergebnisse kommt, wird überzeugt davon sein, dass sich solche Studien finden lassen müssen, wenn man nur lang genug googelt.

In diesen Kühltruhen der Businesswelt fallen die Entscheidungen darüber, nach welchen Regeln diese Stadt zu funktionieren hat. Darüber, wer hier Platz haben soll und wer nicht. Darüber, wohin die Gelder abfließen, die übrigbleiben, wenn die letzte Maß unter den Kastanienhimmeln getrunken ist. Hier wird in Meetings so getan, als gäbe es etwas zu besprechen aber eigentlich macht man sich nur lustig über das dämliche Gesindel da draußen in der Sommerhitze, das einem jeden Schrott abkauft, solange es noch für einen Spritz oder eine Maß im Schatten reicht. In den Kühlhäusern wird ein Würfelspiel ohne Würfel gespielt. Wohin geht der Invest, welcher Handwerker wird sterben, welche Wiese zubetoniert? 28-jährige Senior Consultants bereiten in ihren Tiefkühlfächern die Charts vor, in deren Folge die 58-jährige Elisabeth ihren Arbeitsplatz verlieren wird.

Ob die coole Heike jemals den Vorstandsvorsitzenden in ihrem Loft empfangen wird, weiß man noch nicht. Bisher reicht es immerhin für die Wochenendfahrten im eigenen Cabrio an den Tegernsee. Sie ist jetzt Mitte 30 und will es bis ganz oben geschafft haben, bevor sie in zehn Jahren an ein Kind denken kann, das dann aber auch unbedingt dazugehört. Die Frauen, die ihre Einjährigen in die Krippe bringen und vor der Yogastunde mit ihrem SUV noch nach Grünwald auf einen Prosecco mit den anderen Müttern fahren, sind ihr heute noch etwas fremd.

Manch einer muss sich in dieser Welt noch mit einem Ventilator begnügen, will er sich vom hitzigen Stadtleben abkapseln und etwas abhaben von den Brosamen des Reichtums. Wie Herr Schwarzbauer, der in seinem schmierigen Anzug gerade, weit weg von seinem Kühlgerät, vor der Tür eines 18qm-Appartments für 800.-€ Kaltmiete steht, um Horden von Leuten mit Hunden, Kindern aber ohne Vorstandsposten zu verscheuchen.

Und im Rathaus wird darüber gegrübelt, wieviel in diesem Jahr die Maß auf der Wiesn kosten soll.


© 2014 - 2019 Arno Jauernig, München
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