Fasching in München
Es ist deprimierend, in diesen Tagen Menschen aus dem Rheinland zu begegnen. Natürlich musste die ansonsten halbwegs freundliche Frau, die ich vor dem Lokal beim Rauchen traf, zum einen auf ihre Herkunft hinweisen und zum anderen darauf, wie lächerlich doch das Rumgehampel ist, das wir hier Fasching nennen. Ohne jemals selbst am Rhein gewesen zu sein in dieser Zeit, war ich bereit, Ihr unumwunden Recht zu geben. Was meine Lage nicht gerade verbesserte, wurde ihr doch mit einem Schlag klar, dass ich einer Spezies angehören musste, die noch schlimmer ist als der Münchner Fasching – der Faschingsmuffel! Lieber falsch gefeiert als gar nicht! Die Plauderei war damit jedenfalls gelaufen. Für einen schnellen Umstieg auf ein anderes Thema war das Wetter nicht spektakulär genug. Also Zigarette ein wenig früher ausdrücken als gewohnt und dann nichts wie weg von hier. „Aber wenigstens ist Deine Maske recht originell“ sagte sie noch im Vorbeigehen ohne mich anzuschauen und verschwand hinter der Eingangstür des Lokals. Ich weiß nicht genau, was mich an dieser Bemerkung so irritierte. Vielleicht war es die Tatsache, dass ich mich schon seit meiner frühen Jugend nicht mehr maskiert hatte. Faschingsausgaben
Früher mal, als die Zeit alt war und angeblich gut, gab es von jeder Münchner Tageszeitung eine Faschingsausgabe. Heute denken wir bei dem Wort Faschingsausgaben nur noch an die Kosten für die ganze Karnevals-Gaudi. Damals aber haben besonders engagierte Redakteure von SZ, Merkur und anderen Blättern alles, was sich in einem Jahr an Humormaterial angestaut hatte in dieser einen Ausgabe zur Schau gestellt. Das reichte dann von derbem Witz und flacher Witzelei bis hin zu durchaus feiner satirischer Präzisionsarbeit. Müddeutsche Zeitung oder Münchner Mucker waren die mehr oder weniger geistreichen Namen einiger dieser Extra-Ausgaben. Eigentlich waren es ja, aus heutiger Sicht, Sammlungen von Fake-News. Die Faschingszeitungen gibt es schon lange nicht mehr. Wer braucht auch heutzutage noch sowas? Den Presseorganen ist es schließlich gelungen, Witzmeldungen das ganze Jahr über in ihren Veröffentlichungen unterzubringen. Ein beliebter Running Gag ist die immer wieder gern kolportierte Meldung, dass ein Mann mit einer Bisamratte auf dem Kopf amerikanischer Präsident sei. In der Müddeutschen von damals wäre so ein Unsinn noch als derbe Übertreibung nicht mal müde belächelt worden. Oder nehmen wir einen beliebten Gag dieser Tage: Deutschland bekommt ein Heimatministerium und ein bekannter Hallodri aus der bayrischen Provinz wird künftig den Küstenbewohnern das Schuhplatteln beibringen. Ich tät mir ja fast die alten Zeiten zurückwünschen, egal ob besser oder nicht. Aber bittschön, das muss doch möglich sein, die ganzen Schmarrnmeldungen wieder auf eine Faschingszeitung einmal im Jahr zu konzentrieren. |
© 2014 - 2019 Arno Jauernig, München
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